Die Faszination für die Rauhnächte wächst. Viele Menschen besinnen sich alter Traditionen, räuchern, nutzen die Rauhnächte, um Rückschau zu halten oder sich ihre Träume anzuschauen.
Die Rauhnächte stehen dabei für eine Zeit, um in die Ruhe zu kommen. Eine Zeit der Einkehr, des Rückzugs, von Reinigung, Ordnung und Gedanken über das Vergangene und Kommende. Diese Schwellenzeit erinnert uns daran, dass jedem Ende auch ein Anfang innewohnt.
Doch die Rauhnächte stehen noch für etwas anderes. Wer sich nur das Besinnliche herauspflückt, die Zwölften romantisiert und sie damit weichspült, verkennt das Düstere, das ihnen innewohnt. Die Rauhnächte sind die dunkelste Zeit des Jahres. Früher standen die härtesten Monate des Winters erst noch bevor. Es war eine Zeit, in der der Tod nahekam. Für die Menschen früher standen die Tore zum Geisterreich in den Rauhnächten offen, Dämonen konnten die diesseitige Welt erreichen. Etwas Unkontrollierbares rückte näher, drohte, die kosmische Ordnung zu zerstören. Deshalb gab es strenge Regeln, was man zu tun und zu lassen hatte. Die große Angst galt nicht nur dem Tod, sondern auch dass das Licht nicht mehr in die Welt zurückkommen könnte.
Das Erbe der Rauhnacht
Die Herrin der Rauhnächte, Perchta, aus der die Figur Knecht Ruprecht mit entsprang und mit dem sie zusammen die Geschichte von »Das Erbe der Rauhnacht« trägt, steht mit ihren Regeln für die Bewahrung der kosmischen Ordnung. Sie steht ebenfalls für Klarheit, Gerechtigkeit und dass wir uns an irgendeinem Moment unseres Lebens für unsere Taten verantworten müssen. Perchta fordert die Eigenverantwortung.
Was heißt das für uns heute? Und was bedeutet es für Geschichten-Erzähler, das Verfassen von Romanen? Denn wenn wir eine Geschichte erzählen, ohne das Finstere sehen zu wollen, oder einen historischen Roman verfassen, ohne dass er etwas mit dem Heute zu tun hat, dann versagen wir in unserer Aufgabe, im Schreiben dem Leben gerecht zu werden.
Die Rauhnächte: Dunkelheit, Unsicherheit, Hoffnung auf Licht
Die Rauhnächte vervollkommnen das Rad des Lebens. Sie repräsentieren Anfang und Ende, Übergang, steten Wandel, Leben und Tod. Sie stehen auch für etwas Gefährliches, das unsere Welt heimsucht, für Unsicherheit und den Umgang damit, sogar für die Notwendigkeit, Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Wen das jetzt an Corona erinnert und dieses besondere Weihnachten und Jahresende von 2020: Ja, das Unkontrollierbare gehört zu dieser Welt. Die Menschen früher waren sich dessen bewusst. Wir heute mit unserem Wunsch alles in Watte zu packen, das Düstere fernzuhalten, was wir auch im Rosinenpicken alter Traditionen und Figuren wie dem Weihnachtsmann sehen, in dem nichts Finsteres mehr übrig ist – wir sind vielleicht aufgerufen, die Rauhnächte und das, wofür sie stehen, in ihrer Gänze anzunehmen. Dazu zählt auch die Unsicherheit.
Die Rauhnächte beginnen, wenn die Nächte am längsten sind. Aber in sich bergen sie die Hoffnung auf das wiederkehrende Licht.