Bei der dritten Staffel von Bridgerton wurde ich vorher gewarnt, die zweite Liebesgeschichte – jene von Francesca mit Lord Stirling – „ginge etwas unter“.
Das ist korrekt.
Das ist aber auch sehr interessant, wenn wir uns anschauen, warum das so wirkt, und was uns das lehrt.
Bridgerton Staffel 3 rückt uns sanft den Kopf zurecht
Im Angesicht der mangelnden Begeisterung der Mutter über ihre künftige Verbindung hält Francesca einmal entgegen, es möge vielleicht nicht jene großartige Liebe sein, wie ihre Mutter sie sich vorstelle, aber was sie und Lord Stirlinghätten, sei „easy“.
Damit gönnt sich die Serie einmal mehr einen doppelten Blick auf sich selbst. Sie schenkt uns eine sanfte Lektion darin, dass Liebe in verschiedenen Farben kommt. Dass das vermeintlich Kleine nicht weniger schön ist wie die von Drama begleitete Liebe. Dass Liebe keine große Story braucht. Damit konterkariert die Serie recht angenehm ihr eigenes Klischee.
Indem sie das tut, enthüllt die dritte Staffel von Bridgerton, wie wir unserem eigenem Narrativ auf den Leim gehen: Was als große Story (Drama) daherkommt, ist toll, alles andere zweitklassig. So tickt unser Geist, das Gehirn von Pan narrans, dem Geschichten erzählenden Affen.
Diese Sicht hat mit dem tatsächlichen Leben jedoch weniger zu tun, als wir oft denken.
Es ist immer das ganze Leben – egal was Story sagt
Das Leben an sich unterscheidet nicht zwischen Storydrama und ruhigem Fluss. Es ist immer das ganze Leben, auch die als „easy“ empfundene Liebesverbindung. Es wird dadurch nicht weniger Leben. Nicht weniger Liebe. Es wird nur weniger Drama. Es gibt weniger Wendepunkte, weniger Konflikt. Kurz: Es gibt keine große Story. Das ist aber ein Problem von Geschichten-Erzählern und Geschichten-Konsumenten. Nicht des Lebens an sich.
Und ganz ehrlich: Welcher psychisch normale Mensch wünscht sich ernsthaft Drama und Konflikte im eigenen Beziehungsleben, das für eine ganze Staffel reicht? Vor allem weil das Happy End im Leben auch nicht gesetzt ist.
Unser Geist im Spiegel von Story-Struktur
Bei allem Lob kann diese Art der Liebegeschichte aber fast nur den B-Plot einnehmen, also eine Nebenhandlung. Francescas Love-Story trägt über eine gewisse Strecke, aber nicht eine ganze Staffel. In diesem Unterschied enthüllt sich, wie Storytelling funktioniert – wie unsere Aufmerksamkeit, unser Geist funktioniert. Drama hält Aufmerksamkeit. Daran orientiert sich Story-Struktur.
Bridgertons Macher (wie die Geschichte im Original-Roman erzählt wird, ist mir unbekannt) wissen das. Sie halten sich an die „Story-Regeln“ von A-Plot, B-Plot, Konflikten und Wendepunkten. Sie wissen jedoch auch, dass die meisten Menschen eher eine leise Liebe führen. Eine solche mag sich vielleicht nicht als Haupthandlung für eine Dramaserienstaffel eignen, weniger wertvoll ist sie deshalb nicht. Hier, in Staffel 3, lächeln Bridgertons Schöpfer dieser stillen Mehrheit einmal zu.
Sie lächeln dem Leben zu.