Isabel Bogdan: Der Pfau
Eine Gruppe britischer Banker auf Teambuilding in einem alten Anwesen in Schottland im November. Ein aggressiver Pfau, eine nicht ganz so aggressive Gans und Hunde, die oftmals klüger sind als ihre Besitzer.
Aus dieser Gemengelage entwickelt Isabel Bogdan einen Roman der leisen Konflikte voller Herz, Liebe zum Menschen und wunderbar skurriler Momente und Einsichten über die Hürden und die Kraft wahrhaftiger Kommunikation.
Ein Roman wie eine eigene Persönlichkeit dank liebevoll gezeichneter Charaktere und einer fabelhaften Erzählstimme.
Der allwissende Erzähler als Kunst
Der allwissende Erzähler hüpft von einem Kopf zum nächsten, auch in den von Tieren. Ist diese Erzählform bei schwächeren Autoren oft problematisch, weil sie leicht zu schwacher Charakterentwicklung verleitet oder meint, dem Leser alles auf dem Tablett servieren zu müssen und dabei Subtext auslöscht, schafft Bogdan eine wunderbare Balance aus Intimität und Distanz bei einer sympathischen aber doch stets unterhaltsamen, ironischen Erzählerstimme mit eigener Persönlichkeit.
Charaktergetriebener Plot
Die Atmosphäre und der Stil des Romans entsteht aus seiner Liebe zu ausgewählten Details, allen voran das Essen, das ebenfalls eine große Rolle spielt – fast wie eine eigene Persönlichkeit. Überhaupt besitzt alles in diesem Roman Persönlichkeit: das Gebäude, die Tiere, das Land, selbst der Hot Tub. Die Charaktere bilden das Herzstück des Romans.
Den Roman fehlt ein klarer Protagonist, sind doch alle Figuren recht gleichwertig in der Zeit, die wir mit ihnen verbringen. Eine gute Frage hier ist immer, wer muss eigentlich den längsten inneren Weg zurückzulegen, wer hat den größten Entwicklungsbogen? Manche Banker entwickeln sich über die Handlung hinweg mehr als andere, allen voran Liz, die Chefin. Ich würde trotzdem argumentieren, dass das Team hier der Protagonist ist. Sie kommen zwar nicht als Team im Tal an, haben zunächst kein gemeinsames Ziel, aber das Teamtraining hat seinen Effekt – selbst wenn es anders läuft als geplant. Gemeinschaft, Nähe, Respekt, das ist der Preis, den sie erringen.
Mein einziger Kritikpunkt ist, dass es mir zu Beginn etwas schwer fiel, die verschiedenen männlichen Banker auseinander zu halten, weil zwar jeder mit mindestens einer Eigenheit eingeführt wird, allerdings alle auf einmal. Was ich daraus lerne: dem Leser ein bisschen mehr Zeit geben, die verschiedenen Charaktere zu sortieren. Diese kleine Hürde trübt den Spaß an diesem Buch und seinen vielfältigen Persönlichkeiten – menschlich, tierisch, gegenständlich … – aber nur kurz.
Fazit: Wer auf rasante Action und lauten Konflikt hofft, den mag dieser Roman leicht enttäuschen, der alle anderen jedoch bestens unterhält und dabei menschliche und tierische Wahrheiten enthüllt.