Die Magie der kleinen Dinge erzählt die Geschichte einer jungen Frau, Nella, die voller Hoffnung auf eine gute Ehe und eine romantische Liebe im Jahr 1686 nach Amsterdam kommt und schließlich mit einer ganz anderen Art von Liebe dasteht.
Es ist ein Familiendrama mit Figuren, die sich nicht in die Welt des Amsterdamer Bürgertums, die Gesetze von Religion, Gulden und Handel einfügen. Die Freiheit über das Private – wen man liebt – definieren würden, so sie denn könnten, und an dieser Unmöglichkeit wachsen oder auch nicht, Doppelleben führen und scheitern. Eine Welt, in der Verantwortung und gesellschaftliche Regeln die Begierden nicht unterdrücken können, so es denn versucht wird.
Charakter- oder plotgetrieben?
Die Sprache Jessie Burtons ließt sich flüssig und reich an Metaphern, die nur selten übertrieben oder gekünstelt wirken. Der Roman lebt stark von diesen bildhaften Beschreibungen, seiner Hingabe zu kleinen Dingen, die seine Originalität ausmacht. Was die Story selbst angeht, ist diese nicht üppig mit Wendepunkten und unvorhergesehenen Überraschungen ausstaffiert. Die Spannungskurve bleibt anfangs flach, später dann moderat. Johannes Handlungen schienen mir am Ende nicht völlig überzeugend, aber das mag daran liegen, dass er sich selbst mit Worten begründen muss, und weil der Erzählstil bei sämtlichen Figuren, sogar bei Nella, der Protagonistin, Distanz nährt und den Leser bis zum Ende im Zustand des Beobachters lässt.
Angenehm ist, dass Nella kein blasser „Gutmensch“ ist. Sie hat hässliche, kleinliche Gedanken, spricht diese manchmal auch aus. Das lässt sie echt wirken, gleichzeitig werden wir Zeuge ihres inneren Wachstums in dem, wie sie handelt. Doch der Raum für Identifikation, der dadurch geschaffen wird, übersetzt sich nicht in ein Gefühl wirklicher Nähe. Nella erhält etwas im Austausch für das Ende ihrer Träume, sie wird erwachsen, stärker, aber was die Geschichte angeht, treibt Nella trotz ihres an sich nicht passiven Wesens kaum die Handlung voran. Wie viel in diesem Drama wäre ohne sie anders gelaufen? Es scheint, als ob ihre Motivation eher von außen geformt wird als dass sie aus einer inneren Flamme heraus wächst. Welche großen Wendepunkte gehen auf Nellas Entscheidungen, ihre Taten zurück? Wenn sie auf die Bühne tritt, ist alles schon in Bewegung und sie ist mehr Betroffene als Wegweiche.
Ein allwissender Erzähler nimmt sich hier sehr hinter der Perspektive der Protagonistin zurück. Aber so detailliert und bildhaft die Sprache der Gefühle dabei ist, Mitleid blieb schwächer als die Neugierde, der Leser Beobachter, und das macht das Buch eher zu einer intellektuellen Übung denn zu einer zutiefst emotionalen. Ein Buch zum leisen Mitfiebern aber keines, bei dem ich Tränen vergoss.
Zum Genre: Ich habe den Roman in der Fantasyabteilung einer Buchhandlung gekauft. Die Einordnung erscheint mir ein wenig übertrieben, denn das magische Element ist recht dezent und steht deutlich zurück hinter dem historischen Moment eines Sittengemäldes des bigott-frömmelnden Amsterdams im 17. Jahrhundert – kritisch, manchmal gar versteckt boshaft. Soll heißen, dieses Familien- und Gesellschaftsdrama ist auch für Leser geeignet, die mit Fantasy sonst nicht viel am Hut haben, bei einer kleinen Übernatürlichkeit jedoch auch keinen Ausschlag bekommen.