Die Handlung von »Das Erbe der Rauhnacht« setzt während der Reformation und kurz nach den Bauernkriegen ein, also Ende der 20er Jahre des 16. Jahrhunderts. In den Bauernkriegen kämpften die Bauernhaufen ohne Rüstungen, mit Sensen, Heugabeln, Holzspießen bewaffnet. Aber wofür genau kämpften sie?
Herrschaftliche Willkür & Bauernkriege
Zu Beginn des Romans »Das Erbe der Rauhnacht«versucht Rupp – der Protagonist –, sich Aufständischen anzuschließen, die in den Wäldern hausen. Dabei spottet einer der vogelfreien Bauern, ob Rupp ihnen denn helfen wolle, Schneckenhäuser zu sammeln. In diesem Satz habe ich eine Begebenheit aus den Bauernkämpfen des 16. Jahrhunderts aufgegriffen: Sie erzählt, wie eine schwäbische Lehnsherrin ihre Bauern von der Ernte abzog, damit sie gefälligst Schneckenhäuser zum Garnspinnen für sie sammeln. Eine solche Tyrannei durch die Grundherren schürte die Wut der abhängigen Bauern.
Das damalige Lehnswesen und die Grundherrschaft diente vor allem den Grundherren (zu diesen zählten übrigens auch geistliche Grundherren aus dem kirchlichen Umfeld.) Wenn ein Bauer starb, erhielt der Lehnsherr einen Anteil von 50 %. Konnten die Erben diesen nicht bezahlen, drohte die Leibeigenschaft.
Das Jagd- und Fischereirecht lag, wie im Roman beschrieben, beim Adel. Die Bauern hatten Fronarbeit zu leisten. Die meisten Bauern mussten sich früher oder später in die Abhängigkeit begeben. Hinzu kamen neue Steuern: Der Zehnt (eine zehnprozentige Steuer in Geld oder Naturalien) sollte plötzlich auch auf Tiere geleistet werden – und das im Namen der Heiligen Schrift.
Nun machte aber Luthers Bibelübersetzung die Inhalte der Bibel nachprüfbar – auch für das gemeine Volk, welches nicht des Lateins mächtig war. Fahrende Buchhändler boten die Lutherbibel auf den Märkten an. Dort war lautes Vorlesen üblich für all jene, die nicht lesen konnten. Die Inhalte der Bibel wurden dadurch zugänglicher, und die Menschen lernten, dass die Ordnung nicht gottgewollt war, wie es ihnen die Oberen eingeredet hatten.
Die Reformation und Martin Luther
Damals war bekannt, dass sich die Würdenträger der Kirche wie Fürsten gebärdeten. Papst Leo (später der „Prächtige“ genannt) investierte beispielsweise Unsummen in den Petersdom.
Der ausufernd praktizierte Ablasshandel, mit dem sich das Volk sein Seelenheil erkaufen sollte („Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Feuer springt“) wurde von Martin Luther als Täuschung der Gläubigen angeprangert, denn Sündenerlass und Seelenheil konnten nicht käuflich sein. Luther predigte außerdem, Erlösung könne allein durch Gottes Gnade erteilt werden und es brauche keine Mittler zwischen den Menschen und Gott. Diesem Gedanken fielen die katholischen Heiligen zum Opfer:
Im Zuge der Reformation wurden Kunstschätze und Heiligenfiguren entwendet und geschändet. Das nennt man Bilderstürmer. Erwähnung finden diese in der zweiten Hälfte des Romans, wenn Nikolo sich darüber auslässt, dass die Reformation die Heiligen abschafft.
Luther ging es um die Freiheit der Gläubigen, doch er stand damit weder auf der Seite der aufständischen Bauern noch wollte er den Adel abschaffen. Doch er stand für Schulbildung auch für die unteren Schichten ein – womit allerdings vor allem auf die Fähigkeit abgezielt wurde, die Bibel lesen zu können.
Der Begriff „Protestanten“ kam ab 1530 in Gebrauch (beim Reichstag zu Augsburg).
Vom Spätmittelalter in die Neuzeit und vom Land in die Stadt
Kurz vorher war der Buchdruck erfunden worden, Amerika entdeckt. Diese Zeit des frühen 16. Jahrhunderts markiert damit auch den Übergang vom Spätmittelalter in die Neuzeit. Ebenfalls typisch für die Zeit war eine Abwanderung. „Stadtluft macht frei!“ hieß es. Das Ziel war, grundherrlicher Abhängigkeit zu entkommen, was aber nicht so einfach war. Die Schere zwischen Stadt und Land begann weiter zu klaffen. Was weiterhin stark blieb, war der Aberglaube und die Angst vor Dämonen, dem Teufel und Hexerei. Auch dieser Aberglaube findet im Roman immer wieder Erwähnung.