„Barbaren“ ist eine deutsche Netflix-Serie über die Varus-Schlacht zwischen Germanen und Römern im Jahre 9 n. Chr. Sie ist die fiktionale Aufarbeitung einer der großen Wendepunkte in der europäischen Geschichte, und natürlich musste ich sie anschauen. Denn hier bewegen wir uns ganz nahe am historischen Hintergrund und Storytelling von „Die Druidin“.
„Barbaren“ spielt dabei gut 100 Jahre nach den Geschehnissen in „Die Druidin“, die sich vor dem Hintergrund der beginnenden germanischen Völkerwanderung, dem Zug der Kimbern und Teutonen, entfaltet. Wo in „Die Druidin“ und „Die Tochter der Druidin“ drei große Völker der Frühgeschichte aufeinanderprallen (Kelten, Germanen, Römer), so sind es in „Barbaren“ die Germanen und das römische Imperium.
Historische Fiktion: zwischen Fakt und erzählerischer Notwendigkeit
Kinematographisch fand ich die Serie von Beginn an gelungen. Was mich allerdings für die Serie einnahm, war eine Szene in der ersten Folge: Hier sprechen die Cherusker und andere Stämme etwas befremdet darüber, dass die Römer sie als „Germanen“ bezeichnen. Das gefällt mir. Als Autoren stehen wir vor einem Dilemma zwischen historischer Exaktheit (im Sinne von: keinen Widerspruch zur Geschichte) und erzählerischer Notwendigkeit, damit wir unsere Zuhörer abholen. Wie sie mit solchen Situationen umgehen, sagt einiges über die kreativen Köpfe hinter der Serie: Jan Martin Scharf, Arne Noltin, Andreas Heckmann.
Diese kleine Szene zeigte mir, dass die Filmemacher ernsthaft an die Dilemmata einer fiktionalen Aufarbeitung historischer Ereignisse herangehen, in diesem Fall: Wie gehe ich mit historischen Begriffen um, die wir Zuschauer oder Leser heute brauchen, um uns in der Geschichte zurechtzufinden, selbst wenn es historisch völlig absurd ist, dass sich ein Cherusker selbst als „Germane“ bezeichnet hätte?
Wer „Die Druidin“ und „Die Tochter der Druidin“ gelesen hat, wird sich vielleicht erinnern, dass ich dieses Problem der Völkerbezeichnung ebenfalls kurz anspreche.
Natürlich erzählen wir fiktive Geschichten vor historischem Hintergrund. Natürlich nehmen wir uns Freiheiten. Aber wir denken trotzdem gut darüber nach, was wir tun und warum.
Religion und Magie der Germanen
In „Die Druidin“ hat meine Hauptfigur Talia eine besondere Gabe: Sie kann Seelen sehen. Diese Art von „Magie“, die ich für die Romane entworfen habe, entspringt jedoch nicht dem Ansatz, klassische Fantasy zu schreiben, sondern beruht auf dem Glauben der Kelten an die Seelenwanderung.
Die Macher von „Barbaren“ wiederum zeigen Elemente von Religion und Riten der Germanen, die Seherinnen und Visionen kannten, aber sie machen etwas sehr Spannendes: Sie betten diese religiös-magischen Motive ein in die Frage, was nützt der Figur, und damit in die Charaktere, ihre Psychologie, Bedürfnisse und Motivationen. Das lässt dem Zuschauer viel Raum.
Erzählen zwischen Gestern und Heute
Was mich von Anfang an neugierig auf die Serie machte, war die Frage: Wie verhindern die Filmemacher, dass sich die rechte Szene diesen zentralen Moment der germanisch-römischen Geschichte für ihre Propaganda stiehlt? Immerhin handelt diese Serie von Arminius, Held der Cherusker.
Antwort: Über die Figuren und ihre Charaktere.
Wenn man sich die Figur des Arminius in der Serie anschaut, sieht man keinen strahlenden Helden, sondern einen Mann, der zerrissen ist in seinen Loyalitäten, seinen Gefühlen. Der seine Enttäuschungen auslebt, das verletzte Kind in sich sein Handeln bestimmen lässt, der verrät und keineswegs als rechtschaffenes Vorbild taugt. Auch die anderen zentralen Figuren ergeben sich niemandes Wunschbildern und Erwartungen.
Des Weiteren spielt die bereits erwähnte Zerrissenheit der Stämme hinein: Immer wieder wird deutlich, wie wenig sich diese germanischen Stämme als Einheit „der Germanen“ begreifen, wie sie gegeneinanderstehen anstatt zusammen. Wie ihre Anführer kleinlich agieren, feige, verräterisch, egozentrisch, illoyal bishin zu schlichtweg dumm. Schönreden oder irgendwie romantisch verklären lässt sich das nicht.
„Die Druidin“ und die „Tochter der Druidin“ lassen sich ebenfalls nicht von rechts ideologisieren, denn um 100 v. Christus traten die germanischen Völker als Migranten auf. Als invasorische Bedrohung, als Opfer wie Täter der Geschichte. Die Kimbern und Teutonen mussten ihre angestammte Heimat verlassen, um 20 Jahre durch das keltische, römische und rätische Europa zu ziehen, um Land bittend, abgelehnt, sich als Söldner verdingend, brandschatzend und zerstörend, bis die Römer sie vernichtend schlugen.
Gute historische Fiktion muss uns immer etwas schenken, damit wir die Menschen, unsere Geschichte aber vor allem auch das, was in unserer heutigen Zeit geschieht, besser verstehen. Das Gestern muss ins Heute kommen. Loyalität, Macht, Liebe, Verrat – das sind die Themen, die sich auch in „Barbaren“ finden.