Kürzlich habe ich für ein Unternehmen einen Text erstellt, in dem wir die Vision einer Zukunft ausmalten. Eine solche Future Story dient dazu, Mitarbeiter, Kunden oder Vorstände hinter einem Ziel zu vereinen, nämlich die entworfene Zukunft Realität werden zu lassen. Eine solche Geschichte sagt uns: Da gehen wir (gemeinsam) hin.
Doch wo genau ist „da“? Wie genau soll diese Zukunft aussehen?
„Wir verdoppeln unsere Umsätze!“; „Wir werden Marktführer!“; „Wir schaffen die Energiewende!“ Solche Slogans triggern vielleicht ein Bedürfnis, aber sie triggern nicht die Sinne. Und wir sind sinnliche Wesen.
Die Future Story lebt von Bildern
Eine Future Story braucht lebendige Bilder einer Zukunft. Ein Beispiel einer Future Story ist die I have a dream Rede von Martin Luther King.
Schauen wir uns kurz im Detail an, was Bilder brauchen, damit sie funktionieren.
1. Bilder müssen konkret sein.
Wenn Martin Luther King sich auf die „red hills of Georgia“ bezieht, wird er konkret und folgt damit einer einfachen Regel für jeden Autor. Wenn ich einen Roman schreibe, steht darin auch nicht eine Frau unter einem Baum. Sondern ein gekümmtes Kräuterweiblein unter einer Eiche.
2. Bilder sollten möglichst mehrere Sinne ansprechen
Menschen nutzen diverse Sinneskanäle in unterschiedlicher Ausprägung. Manche sind stark Sehsinn geprägt. Andere erfreuen sich eines ausgeprägten Geruchssinns, andere wiederum reagieren besonders sensibel auf Geräusche. Martin Luther Kings „rote Hügel“ zielen auf die Augen, „(…) sweltering with the heat“ schafft ein Gefühl für unsere Haut.
3. Bilder müssen Bedeutung tragen
Das kennen wir aus langweiliger Werbung, die keine Story erzählt, sondern nur atmosphärisch arbeitet. Denken Sie an hübsche Strände, Palmen, Sonnenuntergänge. Sie sollen Sehnsucht erwecken, obwohl man nicht immer weiß, was diese Bilder mit dem Produkt zu tun haben.
In einer Future Story dienen Bilder – dazu zählen auch Settings – keinem Selbstzweck. Sie sind nicht da, nur weil sie hübsch aussehen oder literarisch wirken. Sie dienen der Story, sie kommen mit Bedeutung.
4. Schaffen Sie Bilder von Taten
Wenn sich die „Söhne eines Sklaven“ und die „Söhne eines Sklavenhalters“ zusammen an einem Tisch niederlassen, wie in Kings Rede, dann passiert etwas. Wir sehen eine Aktion. Bilder im Kopf bedeuten nicht nur rote Hügel, flammende Sonnenuntergänge etc. Jeder Romanautor, jeder Drehbuchautor arbeitet mit Bildern im Kopf, die aus Taten bestehen. Oder anders gesagt: Eine Geschichte braucht Verben.
5. Die Zielgruppe muss die Bilder verstehen
Stellen Sie sich vor, Sie verfassen eine Text für eine Zielgruppe, die in Hamburg sitzt. Wenn Sie dann lauter Bilder von Müncher Gemütlichkeit und Locations verwenden, die für ein Münchner Publikum gut funktionieren würden, Ihrer hanseatischen Zielgruppe aber nichts sagen, haben Sie an Ihrer Zielgruppe vorbeigeschrieben. Dasselbe gilt bei „visuellem Fachlatein“ für ein Publikum, das diese Insider-Bilder nicht kennt.
Fragen Sie sich daher: Kennt mein Publikum meine Bilder und die Bedeutung dahinter?
Future Stories sind nicht leicht
Wenn Sie eine Future Story schreiben, sollten sie noch einen weiteren Punkt beachten:
Der Wendepunkt muss zumindest implizit klar sein: Wenn XY passiert, dann wird die Zukunft wie folgt aussehen … Dieser Wendepunkt wird meistens mehr oder weniger dem Call to action entsprechen, also das Ziel, das Sie mit ihrer Kommunikation verfolgen.
Implizit sind bei Martin Luther King übrigens auch die Konflikte. Allein die Zeile über die Söhne von früheren Feinden reicht, damit allen Zuhörern klar ist, dieser Weg wird nicht einfach. Aber in großen Geschichten ist auch wenig einfach, und der Zuhörer ist auch nicht blöd. Außerdem sollte es bei der Zukunft immer um etwas Großes und sehr Konkretes gehen.
Das alles macht es nicht leichter, eine gute Future Story zu erzählen. Future Stories passen daher nicht zu jeder Organisation. Was aber nicht schlimm ist, denn es gibt ja noch andere Ansätze, z. B. die Gründungsgeschichte, mit der sich ebenfalls wunderbares Branding schaffen lässt. (Mehr dazu hier)
Die oben aufgeführten Tipps für die Schaffung ausdrucksstarker Bilder sind dabei auf andere Storyformen übertragbar.