Sie sind den ersten Tag zurück im Büro und die Standardfrage der Kollegen lautet: „Und, wie war der Urlaub?“
Nehmen wir an, Sie waren am Gardasee zum Mountainbiken mit Freunden. Also beginnen Sie zu berichten, welche Strecken Sie heruntergeheizt sind, wie die Gipfel hießen, wie viele Kilometer und Höhenmeter abgestrampelt wurden, wie toll die neue Pulsuhr funktioniert. Irgendwann, trotz Ihrer Euphorie, können Sie jedoch den zunehmend glasigen Blick Ihrer Kollegin nicht mehr ausblenden.
Was ist da schief gegangen?
Sie haben zwei Grundprinzipien erfolgreicher Kommunikation ignoriert:
a) Wer ist mein Zuhörer?
b) Kann sich meine Zuhörerin mit der Erzählung identifizieren? Fühlt sie sich unterhalten?
Ihre Kollegin war noch nie am Gardasee zum Mountainbiken. Die Namen der Berge sagen ihr nichts, und nach anfänglicher Empathie bezüglich tapfer erkämpfter Gipfel bei Hitze, Graupel oder kaltem Nordföhn kann Ihre Schilderung sie nicht mehr fesseln. Ihr fehlen der emotionale Bezug und Unterhaltung. Wird sie Ihren Bericht weitererzählen? – Mit Sicherheit nicht.
Kommunikation besteht immer aus zwei Teilnehmern: Einem Sender (Erzähler) und einem Empfänger (Zuhörer).
Nach wem sollten Sie den Inhalt Ihres Produkts (d.h. Ihre Schilderung/Geschichte) wohl ausrichten?
Fragen Sie sich:
- Für wen erzähle ich?
- Welcher Aspekt ist für den anderen interessant? (Im Zweifelsfall einfach fragen: Waren Sie schonmal am Gardasee? Sind Sie Mountainbiker? Dann fühlt sich der andere auch gleich gesehen und aus einem Monolog wird ein Dialog)
- Kann ich aus meinem Urlaub eine Geschichte erzählen? Mit einer echten Story erreichen Sie potentiell eine breitere Zielgruppe als beim Herunterrasseln von Zahlen und Fakten über Mountainbike-Strecken.
Was kennzeichnet eine Geschichte?
Das elementare Grundprinzip einer Geschichte ist ein Wendepunkt. Das große ABER und was daraus folgt.
Meine Lieblingsgeschichte aus meinem letzten Gardasee-Urlaub beginnt wie folgt:
Wir sitzen in einer Bar in Riva auf der Terasse und schlürfen unsere Cappuccinos. Es bläst ein böiger Nordwind. Auf dem See sieht man immer wieder in Schieflage geratene oder gekenterte Segelboote. Vom Ort her nähert sich plötzlich Tatü-taa-taahh. Ein roter SUV kurvt auf den Parkplatz und stoppt keine dreißig Meter entfernt. Der Beifahrer springt heraus und rennt zum Tor, das den Zutritt zum Hafen versperrt und damit zum Rettungsboot der Wasserwacht. Er macht sich am Tor zu schaffen, rüttelt daran. Aber das Tor bleibt geschlossen. Er fängt an, seine Taschen abzuklopfen. Hose, Jacke … nichts. Sein Kollege gesellt sich hinzu, kramt einen Schlüssel heraus. Die Kette rasselt, nichts passiert. Fasziniert kommentieren die Bar-Besucher das große Fragezeichen über den Köpfen der beiden Retter. Die beiden Männer rütteln ein wenig hektischer am Schloss , mehr Taschen werden abgeklopft. Wo ist der verdammte Schlüssel? Derweil, irgendwo auf dem See, klammert sich gerade ein armer Tropf verzweifelt an sein gekentertes Boot …
Stellen Sie sich dagegen folgenden Erzählverlauf (verkürzt) vor:
Wir saßen in der Bar, dann kam ein Rettungswagen, die Männer öffneten das Schloss zum Hafen, bemannten ihr Boot und zogen aus, um den Segler aus dem Wasser zu ziehen.
Langweiliger? Ja, aber nicht weil diesen knappen Sätzen Bilder fehlen. Sondern weil ihnen ein ABER fehlt. Alle Sätze, alle Ereignisse lassen sich mit UND verbinden. Keiner erzwingt ein ABER oder ein DESHALB.
Eine Geschichte braucht einen Wendepunkt.
Geschichten sind aufgebaut wie Witze: etwas Unvorhergesehenes, Ungeplantes passiert, das Universum knallt uns etwas entgegen, was eine Änderung bewirkt.
Fragen Sie sich:
Was ist in meinem Urlaub an Unvorhergesehenem passiert? Ihnen selbst oder jemand anderen, denn wir müssen nicht immer Geschichten über uns selbst erzählen. Genausowenig müssen Sie den K2 besteigen, um Geschichten zu sammeln. Ständig passiert etwas, was nicht geplant war. Nicht immer ist es etwas Weltbewegendes, manchmal sind es kleine Pannen. Aber wer kann sich nicht mit dem Ärger eines platten Reifens bei daheim vergessenen Reparaturkit identifizieren?
Und da eine Geschichte von Details lebt, können Sie beim platten Reifen auch nebenbei den Namen des schrecklich steilen Gipfels einfließen lassen – sowie die bis dahin zurückgelegten Höhenmeter und Ihren Puls. Natürlich nur, um das Drama zu stärken.
Hallo,
danke für den Beitrag. Genau das brauche ich und daran möchte ich arbeiten. „Im Alltag besser und interessanter kommunizieren“ und nicht nur interessiert anderen zuhören. Ich sehe zwei Punkte: 1. wie schaffe ich ein Bewusstsein für interessante Dinge, die ich teilen möchte? 2. wie bringe ich diese interessant rüber, so dass sie nicht nur dem Zuhörer, sondern auch mir Spaß macht.
Haben Sie ein paar Tipps, wie ich am besten vorgehen sollte?
Lieber Herr Meyer,
danke für die Nachricht!
Man kann lernen, worauf es ankommt und damit ein Bewusstsein entwickeln, was interessant ist. Manche Menschen haben dafür eine besondere Begabung, denke ich, andere müssen lernen, sich zu sensibilisieren. Sie können ja gerne mal gucken, ob eines der Angebote auf meiner Webseite für Sie interessant sein könnte. Ansonsten als Tipp – davon handelt ja auch der Blogeintrag: üben, zuallererst ganz konkret in Wendepunkten denken.