Am Ende des Films The Hummingbird Project entsteht ein Dialog zwischen den beiden Protagonisten: Der Krebskranke fragt, wenn sein Leben nur noch 16 Millisekunden dauern und er sich an nichts erinnern würde, was vorher war, und ihn daher nur diese 16 Millisekunden ausfüllen würden – würde er das aushalten?
Alexander Skårsgards Charakter gibt ihm zur Antwort, sein Leben würde dann genauso lange dauern wie das eines Hundertjährigen.
Und dann sehen wir Zeitlupenaufnahmen: Fallender Regen, der Huftritt von Pferden, Schritte von Menschen …
Diese Szene hat mich beschäftigt, denn sie ist in vieler Hinsicht bemerkenswert, inhaltlich wie ästhetisch – und steht für das Potential, das durchdachtes Storytelling entfalten kann.
Über das Leben
Erstens, es ist Zen. Die ganze Fülle des Lebens – in 16 Millisekunden. Dieser Moment. Sonst nichts.
Die Schönheit eines Augenblicks von der Länge des Flügelschlags eines Kolibris – kein Medium kann dies so sinnlich einfangen, so eindrücklich wiedergeben und machtvoll illustrieren wie der moderne Film.
Zweitens lädt der Film zu essentiellem Fragen über das Lebensende aber auch über das Leben jetzt ein:
Geht es wirklich darum, möglichst viele Jahre anzuhäufen? Wie schlimm ist es, wenn z.B. Demenz am Ende steht? Was sagt Dauer über Qualität aus?
Story & Cinematography
Drittens erleben wir die Kunst, eine Story so zu konstruieren, vom Titel über Setups bis zu diesem Epilog, dass die Szene vorbereitet wird und sich etwas öffnet, in das der Film eine Botschaft pflanzen und seine Symbolik entfalten kann.
Hummingbird ist der Kolibri; 16 Millisekunden dauert sein Flügelschlag. Die Zeitlupe in der Szene fängt keinen Kolibri ein, aber das Fallen von Tropfen, Tritte – eben das, was gerade ist. Eine gute Wahl der Macher.
Wenn wir Storytelling, Symbolik, technische Raffinessen wie Zeitlupen nicht verwenden, um solche Momente zu schaffen – wofür dann?
Viertens, eine Botschaft und Erkenntnis dieser Tiefe braucht einen Tod – das Sterben eines Projekts, eines Traums, einer Idee, einer Vorstellung. Die Macher haben es noch verstärkt durch den drohenden Tod eines Protagonisten, denn der Tod ist die ultimative transformative Macht. Da wären wir wieder bei Punkt 1 – Zen.