Same but different: Adaptionen und Interpretationen bekannter Geschichten

Soeben habe ich womöglich das außergewöhnlichste Buch, was ich je gelesen habe, aus den Händen gelegt: Ligas Welt von Margo Lanagan, im Deutschen bei Rowohlt Rotfuchs erschienen.

Ligas Welt – Interpretation eines Märchens

Ligas Welt beruht auf dem Grimm’schen Märchen Schneeweißchen und Rosenrot.
Ich habe Ligas Welt aus dem Jugendregal einer Buchhandlung gezogen, was man jedoch eher interpretieren kann als: Vorsicht, hier kommt was Anspruchsvolles (siehe dazu auch meinen Beitrag über die Jugendliteratur Suzanne Collins).
Denn Ligas Welt nimmt sich krasse Themen vor: Wie gehen Menschen mit Schicksalsschlägen und Gewalt um? Es geht um Dissoziation, um Missbrauch und Rache, um patriarchalische Strukturen, geprägt von sexueller Gewalt.
Der Roman hat Schwächen, weil manche Passagen flach sind und die Sprache überladen ist an Bildern. (Meine ausführlichere Rezension findet Ihr hier: https://www.lovelybooks.de/autor/Margo-Lanagan/Ligas-Welt-1325795133-w/rezension/1461520138/) Aber über allem stehen die genialen Ideen hinter dieser Adaption und die zahlreichen Momente, wo ich dachte: So etwas habe ich noch nie gelesen. Allein dafür lohnt sich die Lektüre.

Storyprinzip: Same but different

Ich habe mir Ligas Welt gekauft, weil ich selber gerade an einer Adaption eines europäischen Mythos arbeite. Deshalb – und weil in den Kinos häufiger Adaptionen alter Märchen und Mythen laufen, möchte ich hier ein Grundprinzip des Storytellings ansprechen. Es ist das alte Hollywood-Motto: Same, but different.

Same but different bedeutet: gib mir das, was ich bereits kenne (aus Produzentensicht: das, was erfolgreich ist) und gib ihm einen außergewöhnlichen, möglichst nie dagewesenen Dreh. Dieses außergewöhnliche Moment kann sich bei Märchenadaptionen oder Neuinterpretationen bekannter Geschichten auf verschiedene Elemente beziehen:

– auf den Protagonisten (z.B. könnte man das Geschlecht des klassischen Helden ändern, oder die klassische Heldin ist kein unschuldiges Mädchen mehr sondern eine Kriegerin), oder

–  die Perspektive (erzähle die Geschichte aus der Sicht von einer Nebenfigur oder gar dem klassischen Bösewicht)

– auf das Setting (z.B. wir verlagern ein uraltes Märchen in die heutige Welt oder schauen, was passiert, wenn wir Jane Austen’s Emma auf eine kalifornische High School übertragen)

– die Handlung (wenn zum Beispiel vertraute Wendepunkte einen Dreh bekommen. Z.B. der Kuss der wahren Liebe kommt nicht vom Prinzen)

Schaut euch zum Beispiel Snow White & the Huntsman, Maleficient, Clueless (Variante von Emma), 10 Dinge, die ich an dir hasse (Variante von Der Widerspenstigen Zähmung), an und klopft die Filme daraufhin ab, was zu den Vorlagen geändert wurde. Viel Spaß!

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