Der Tod im Storytelling

In März und April findet ausgehend von STADTKULTUR, Netzwerk Bayerischer Städte e. V., in acht Orten in Bayern ein Literaturfestival zum Thema „Der Tod ist groß“ (Rilke) statt. Auch ich bin mit einer Veranstaltung in Garmisch-Partenkirchen vertreten.

Doch warum ein Literaturfestival zum Thema Tod?

Der Tod ist, neben der Liebe, eines der am meisten in Romanen, Filmen, Theaterstücken aufgegriffenen Themen, und das schon seit Urzeiten. Aber wieso? 

Das Größte steht auf dem Spiel

Die Kraft einer jeden Geschichte hängt an dem zentralen Wert, um den es geht, oder daran, was in der Geschichte auf dem Spiel steht. Wenn es um Leben und Tod geht, fängt dieser Wert unsere Aufmerksamkeit ein und bewegt uns – das hat schon evolutionäre Gründe. Denn einer Geschichte zuzuhören, in der es um Leben und Tod geht, könnte zu unserem Überleben beitragen.

Beim Tod kommt hinzu, er ist die Große Unbekannte und dabei doch das einzig Sichere (neben Steuern, wie der Volksmund sagt). Ein Paradox?

Der zentralste Wert

Was in einer Geschichte auf dem Spiel steht, ist nicht automatisch gleichbedeutend mit dem zentralen Wert, der den Wendepunkt bringt. In einer Geschichte mag das Leben des Protagonisten auf dem Spiel stehen, aber was den Wendepunkt bringt, mag eine Entscheidung für einen anderen Wert sein –  wie die Liebe. Und so verknüpfen große Geschichten die großen Themen des Menschen: Leben/Tod, Liebe, Gerechtigkeit, Freiheit.
Eine Geschichte hingegen, in der es nur darum geht, die nächste Karrierestufe zu erreichen und damit Anerkennung zu gewinnen? – Die hat es schwer, gegen die wahrhaft großen Geschichten zu bestehen.

Wozu über den Tod lesen? 

Natürlich kann man ein Buch auch nur zur Unterhaltung lesen, z. B. zum Abschalten am Ende eines stressigen Tages. Manche Leser wollen kein Echo, nicht nachdenken müssen, und manchmal haben sie gute Gründe dafür. Sich in Literatur oder Film mit dem Tod auseinanderzusetzen, mit den Ungewissheiten des Lebens und unbeantwortet bleibenden Fragen, dafür haben wir oft nicht die Kraft, die Muse oder den Nerv:
Willst Du etwas über den Tod lernen? 
Was für eine Frage. 
– Äh, ja. Nein. Vielleicht? Im Zweifelsfall nicht jetzt und ganz sicher nicht direkt!

Aber diesen Widerstand wahrzunehmen, ist der erste Schritt. Das ist achtsames Lesen: Wo haben wir unsere Widestände? Wo reagieren wir, wie reagieren wir? Schauen wir hin, wenden wir uns ab?
Vom Tod sich abwenden zu wollen ist auf Dauer wenig nachhaltig, und wer dem Tod nicht begegnen kann, verliert das Leben. Geschichten können uns auf diesem Weg helfen.

Themen, die das Leben schreibt

Wenn ich durch ein Buch nichts Bedeutungsvolles erfahre – wie lange wird es nachklingen? Und bereichert es mich als Autorin, es zu schreiben? Wozu schreibe ich? Wozu lese ich?

Die großen Themen, die großen Werte ziehen unsere Aufmerksamkeit an. Sie enden nie. Sie sind der unerschöpfliche Pool der Geschichtenerzähler.